Einleitung Eine zusammenhängende Geschichte des Hochschwarzwaldes von den Anfängen bis heute ist bisher noch nicht geschrieben und veröffentlicht worden. Dafür gibt es viele Gründe, ein nicht Unwesentlicher dürfte sein, dass der Hochschwarzwald als Region gar nicht so genau definiert ist, wie man eigentlich meinen sollte. Geologisch treffen hier verschiedene Gesteinsschichten und erdgeschichtliche Epochen aufeinander. Geographisch gesehen entspricht der Hochschwarzwald jener aus dem Südschwarzwald herausragenden Insel des Feldbergmassives mit all seinen südlichen, östlichen und nördlichen Ausläufern. Aber wo enden diese genau? Auch politisch ist der Hochschwarzwald alles andere als ein geschlossenes Gebilde. In dem, was wir geographisch zum Hochschwarzwald zählen, stoßen heute die politischen Grenzen von gleich fünf Landkreisen zusammen, von denen der Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald mit Hinterzarten, Breitnau, St. Märgen, St. Peter, Titisee-Neustadt, Lenzkirch, Schluchsee, Eisenbach, Friedenweiler und Löffingen den größten Teil des Hochschwarzwaldes für sich beansprucht. Wobei Löffingens Zugehörigkeit zum Hochschwarzwald wiederum in scharfem Konflikt mit der gleichzeitigen Zuordnung Löffingens zur Landschaft der Baar steht. Aber auch der Kreis Waldshut, zu dem Bonndorf, Grafenhausen, Menzenschwand, Bernau, Häusern und St. Blasien gehören, umfasst ein wichtiges Stück des Hochschwarzwaldes. Der Landkreis Lörrach reicht mit den Todtnauer Ortsteilen Fahl und Todtnauberg bis auf den Gipfel des Feldberges, der Landkreis Emmendingen kommt mit den Gemarkungen von Waldkirch (an der Südseite des Kandels) und Simonswald (bei St. Märgen) bis in den Hochschwarzwald, und der Schwarzwald-Baar-Kreis berührt und betritt den Hochschwarzwald bei Unterbränd und vom Bregtal aus bei Hammereisenbach. Überhaupt war der Hochschwarzwald in seiner ganzen Geschichte nie eine politische Einheit. Schon früh verliefen hier die Grenzen konkurrierender Herrschaften, seien es Zähringer, Fürstenberger, St. Gallen, Schaffhausen, Sickingen, St. Blasien oder andere regionale Akteure. Am ehesten noch bildet der Hochschwarzwald eine ethnologische Einheit, in dem Sinne, dass seine Bewohner sich eben als Hochschwarzwälder fühlen. Und wer sich nicht als solcher fühlt, der ist auch keiner. Man fühlt und denkt wie ein Hochschwarzwälder, wenn man in Eisenbach wohnt, aber nicht mehr, wenn man in Hammereisenbach lebt. In Oberbränd ja, in Unterbränd nein. In Grafenhausen ja, in Ühlingen-Birkendorf nein. In Bonndorf ja, in Wellendingen nein. Östlich vom Hirschsprung ja, westlich davon nein. So ungefähr sind die mentalen Grenzlinien. So ist der Hochschwarzwald, von dem hier die Rede ist, und dessen Geschichte hier ausgebreitet werden soll, eine „gefühlte“ Region, deren für dieses Buch angenommene Grenzen wie folgt umrissen seien: Im Westen eine gerade Linie von St. Peter quer durch das Dreisamtal über Oberried bis Todtnau. Im Süden ein Bogen von Todtnau über Bernau bis St. Blasien, Häusern und Grafenhausen. Im Osten eine asymmetrische Spitze von Grafenhausen über Bonndorf und Unadingen bis etwa zum Kirnbergsee. Im Norden ab Höhe Kirnbergsee das Breg- und dann das Urachtal bis hinauf zur Kalten Herberge an der B500, von dort eine gedachte Linie bis hinüber nach St. Peter. Alles, was sich im Rechteck innerhalb dieser imaginären Linien befindet (siehe Panoramakarte) ist in der vorliegenden Untersuchung dem Hochschwarzwald zugeschlagen. Dabei sind die Ränder oft fließend, speziell da, wo durch die Täler die logischen Einfallwege der Besiedlungsgeschichte vorgegeben sind, also im Dreisamtal, Glottertal, Bregtal, Wutachtal, Albtal, und Wiesental. Die Quellen- und Literaturlage für eine historische Gesamtdarstellung dieser Region ist keineswegs schlecht. Klöster, Fürstenhäuser und Adelsgeschlechter haben einiges hinterlassen, ebenso die Pfarreien und politischen Gemeinden. Für fast sämtliche Gemeinden des Untersuchungsgebietes existieren Ortschroniken, vielfach auch für einzelne Ortsteile. Ergänzend kommen Höfechroniken und spezialisierte Einzeluntersuchungen hinzu, wie etwa über bestimmte Handwerkszweige (Uhrmacherei, Glasbläserei, Geigenbau) oder über Wirtschaftszweige (Bergbau, Forst, Landwirtschaft, Tourismus etc.). Im Sinne einer leichten und flüssigen Lesbarkeit ist im Fließtext auf einen wissenschaftlichen Fußnoten- und Anmerkungsapparat verzichtet worden. Das ausführliche Literaturverzeichnis im Anhang gibt Auskunft über die verwendeten Schriften. Da, wo Passagen aus dieser Sekundärliteratur wörtlich oder dem Sinne nach im Fließtext aufgegriffen werden, sind stets auch Hinweise auf den oder die Verfasser eingeflochten. Analog wird verfahren bei der Verwendung von Urkundentexten. Eine eigene intensive Quellenforschung hat der Verfasser nicht betrieben. Alle Materialien, die hier zur Auswertung kamen, sind andernorts bereits gesichtet, gewürdigt und interpretiert. Was in der Sekundärliteratur in den meisten Fällen aber fehlt, nämlich die Systematisierung, die Lokalgrenzen überschreitende Sicht, der interdisziplinäre Abgleich, die logische Verknüpfung von Einzelerkenntnissen, das ist hier versucht worden. Vor allem ist über den Urkundenbeweis und den archäologischen Beleg hinaus auch der interdisziplinäre Indizienbeweis zu Rate gezogen worden, etwa die Namensforschung, wenn es darum ging, weiße Flecken der Forschung mit plausiblen Theorien zu füllen. Möglichst alle im Raum stehenden Theorien, Vermutungen und Spekulationen zur Bevölkerungs-, Siedlungs- und Herrschaftsgeschichte werden dem Leser vorgestellt und bewertet. Auf diese Weise kommen auch einige neue Schlussfolgerungen zustande, so zum Beispiel im Hinblick auf die frühe Besiedlungsgeschichte und Verkehrserschließung des Hochschwarzwaldes, oder im Hinblick auf Geschichte und Verbleib einzelner Adelsgeschlechter. Das vorliegende Buch wäre nicht möglich gewesen, ohne die umfangreiche und gründliche Vorarbeit lokaler Autoren. Ihre Orts- und Höfechroniken bildeten die ergiebigsten Fundgruben und lieferten die wichtigsten Puzzlestücke, um das gesamte Bild von der Geschichte des Hochschwarzwaldes zusammen zu setzen. Ganz besonders sind zu nennen die Herausgeber und Verfasser der Hinterzartner Schriftenreihe, stellvertretend Ekkehard Liehl, des weiteren die umfangreichen Werke des Löffinger Heimatforscher Emil Ketterer, die Höfechroniken von Helmut Heizmann und Klaus Weber, die schier unerschöpfliche Neustadt-Chronik von Pfarrer Walter Göbel, August Vetters profundes Werk über die Geschichte des Feldberges, die wissenschaftlichen Darstellungen der Klostergeschichten von St. Blasien durch Hugo Ott und St. Peter durch Hans-Otto Mühleisen, sowie der reiche Fundus, den Franz Fettinger, Mathä Kleiser und andere mit den Heimtgeschichten von Eisenbach und Schollach hinterlassen haben. Dies ist nur eine kleine Auswahl. Es gibt darüber hinaus sehr viele und teilweise sehr alte Veröffentlichungen, die längst verschüttete Kenntnisse bergen. Zum Beispiel die Reiselfingen-Chronik des Dorflehrers Theodor Laubenberger aus dem Jahr 1912, oder Joseph Rombachs „Geschichte von Lenzkirch“ aus dem Jahre 1843. Eine weitere schier unerschöpfliche Quelle hat zwischen 1921 und 1927 der Neustädter Ratschreiber Karl Hofmeyer mit seinen „Heimatblättern“ hinterlassen. Die Überlegung, wie eine solche Chronik des Hochschwarzwaldes am attraktivsten und nutzbringendsten zu illustrieren wäre, hat schließlich zur jetzt vorliegenden Form geführt. Die farbigen Panoramakarten und Detailreliefs aus der Feder von Harald Riesterer sollen Epochen und Ereignisse anschaulich machen, lokale und regionale Zusammenhänge aufzeigen und immer wieder daran erinnern, dass und wie die komplexe Geografie des Hochschwarzwaldes viele geschichtliche Entwicklungen vor- und mitbestimmt hat. Mit den Zeichnungen und Skizzen wird der Versuch unternommen, Architektur von Burgen, Städten, Höfen und anderen Anlagen, altes Handwerk und frühe Wirtschaftszweige zu veranschaulichen, mithin den Lebensalltag aus einer Zeit ins Bild zu setzen, in der es noch keine moderne Fotografie gab. Die ergänzenden Fotos aus den letzten 150 Jahren bis in die Gegenwart zeigen mehr oder weniger das, was aus der Vergangenheit heute noch zu sehen ist, oder sie dokumentieren, auf welche Weise man dieser Vergangenheit auf die Spur gekommen ist. Bei alledem, und bei aller wissenschaftlicher Sorgfalt, welche der Verfasser walten ließ, galt es stets, ein wichtiges Motiv nie aus den Augen zu verlieren: Diese Geschichte des Hochschwarzwaldes sollte ein Lesebuch werden, ein unterhaltsames und kurzweiliges Nachschlagewerk, in welchem Geschichten erzählt werden, die Geschichte erzählen. Ein Buch, nach dem nicht nur Historiker und interessierte Laien greifen, sondern das jeden Freund dieser Landschaft freut und unterhält, den Einheimischen ebenso, wie den Besucher und Feriengast.
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