Der Güllelochmord

1. Leiche im Gülleloch

Eigentlich schwebte die Leiche mehr, als daß sie schwamm. Die Leiche des Kurdirektors. Michael B. Hornbäuser hatte auf Anhieb als "der schönste Kurdirektor des Hochschwarzwaldes" gegolten. Vor allem seiner unverschämten Dauerurlaubsbräune und noch mehr seiner raffinierten Sakkokombinationen wegen. Das half ihm nun nichts mehr, da sein Leichnam behäbig blubbernd im Gülleloch des Hasensepp-Bauernhofes trieb. Das Sakko, vormals gewagt margentafarben, nun eher in Gulaschtönen, sorgte für leichten Auftrieb, so daß immerhin Teile der Frisur und die Fingerspitzen der rechten Hand an die Oberfläche ragten. Der Rest des vormals "schönsten Kurdirektors im Hochschwarzwald" war im penetrant duftenden Jaucheeintopf versunken.
Der Hasensepp-Bauer hatte ihn entdeckt. Wie`s die Bauern so haben, nicht nur jene im Hochschwarzwald, sondern überall auf der Welt, pflegte er mindestens einmal am Tag eine Art lockeren Patrouillengang rund um sein Gehöft. Irgendwas gab es immer wegzutragen, aufzuräumen, hinzulegen. Dabei stachen kleine Veränderungen sofort ins Auge. Und die Güllegrube, sonst eher unbewegt in sich und ihren Dämpfen ruhend, warf an diesem Nachmittag so seltsame Blasen.

Seine kniehohen Kuhstall-Gummistiefel, obwohl längst einschlägig imprägniert, wollte er nicht hineintauchen in die Jauchebrühe, sonst hätte er mal mit dem Fuß getastet. So holte er eine Mistgabel und stocherte gekonnt in die braunen Untiefen. Als aber am mittleren Zinken zunächst eine Hand, bei weiterem Ziehen und Hieven dann ein Unterarm mit Sakkoärmel, dann ein Oberarm und ein braun eingeseifter Kopf auftauchten, da beschloß der Hasensepp-Bauer, die Polizei anzurufen.

"Er ist tot!" stellte Kommissar Uwe Kaiser vom Neustädter Polizeirevier ebenso zutreffend wie überflüssig fest. Das hatte der Hasensepp-Bauer nämlich auch schon bemerkt.
Kaiser war der erste Polizist am Tatort. Der stellvertretende Leiter des Neustädter Polizeireviers fuhr sich nervös mit den Fingern durch die Stoppelhaarfrisur. So ein Mist aber auch. Eine Leiche im Gülleloch.

"Kennen Sie den Mann?" fragte er den Hasensepp-Bauer, der zu Demonstrationszwecken nochmals die Mistgabel eingesetzt hatte. "Freilich!"
Er hievte den Toten einige Zentimeter aus der braunen Brühe. Es blubberte und rumorte im Gülleloch.
"Na dann reden Sie. Wer ist das?"

"Das ist unser Herr Kurdirektor. Kennen Sie ihn nicht?" Der Hasensepp-Bauer operierte geschickt mit der Mistgabel, so daß sich der Leichnam im Jauchesud behäbig drehte und das glotzende Gesicht des toten Michael B. Hornbäuser aus den Blasen aufstieg. "Meine Güte", entfuhr es dem Hauptkommissar, "Das ist ja wirklich der Kurdirektor!"
Auf Leichen war die Titisee-Neustädter Polizei eigentlich nicht eingestellt. Zumal, wenn sie unter so merkwürdigen Umständen aufgefunden wurden. Beim Neustädter Revier beschäftigte man sich in der Regel mit dem weitverbreiteten Hochschwarzwälder Alkoholfahrer, mit ein paar Hoteldieben, mal mit ausrastenden Ehemännern, mit jugendlichen Ladendieben, mit dem vierteljährlichen Tankstellenüberfall und ansonsten mit der sachkundigen Regulierung des Fasnet-Mändig-Umzuges. Leichen standen nicht auf dem Dienstplan.


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