Entdecken Sie den Schwarzwald
Sagenumwobene Landschaft mit einem liebenswert kauzigen Menschenschlag und ganz viel sinnlichen Genüssen
„Ein echter Schwarzwälder“ – das ist ein weltweit anerkanntes Prädikat für einen ganz besonderen Menschenschlag. Ähnlich respektheischend wie der „echte Texaner“, der „echte Römer“ oder der „echte Tiroler“. Dieser grantelige, nach außen zunächst verstockt und etwas schrullig wirkende Typ, erweist sich bei näherem Kennenlernen als herzenswarm, weltoffen und fleißig, mit listigem Humor, solider Erdverbundenheit und hartnäckigem Erfindergeist ausgestattet. Es ist ein interessanter aber nicht leicht zu erobernder Menschenschlag. Den schnellen Schulterklopfer mag er nicht, die Küsschen links- Küsschen rechts- Freunde schon gar nicht, Moden brauchen ein paar Jahre, bis sie hier ankommen, und bei Kleidung, Essen, Beruf und Wohnkomfort gibt er „ebbis Rächts“ (etwas Bewährtem und Solidem) immer den Vorzug vor „ ebbis Nais“ (etwas Neuem und Modernem).
Nun ist für den Schwarzwald-Besucher, der dieses Wunderwesen kennen lernen will, die spannende Frage, wie dies am erfolgversprechendsten anzustellen sei. Da gibt es nur eines: Mitten hinein! Für einen ersten Eindruck tun es gewiss die ausgetretenen Touristenpfade, die den Besucher vom Mummelsee über den Triberger Wasserfall bis zum Hirschsprung im Höllental führen. Aber das ist wie der Gang auf einem Museums-Laufsteg, von dem man hinunter blickt auf ausgestellte Kostbarkeiten und Spezialitäten. Richtig anfassen und kennen lernen kann man den Schwarzwald und den Schwarzwälder nur, wenn man sich an seinen Stammtisch setzt, ihm auf dem Wochenmarkt das Obst und Gemüse abkauft, seine Feste mit ihm feiert, ihm im Zug Gesellschaft leistet und ihm auf die Dörfer, in den Wald und in die hintersten Winkel der Täler folgt. Man sollte sieben bis zehn Jahre für dieses Unternehmen einkalkulieren. Und da dies selbst für einen Abenteuerurlaub den zeitlichen Rahmen sprengt, kann man die innere Befindlichkeit des Schwarzwaldes als Urlauber nur ahnungsweise erhaschen, einen Zipfel vielleicht zu fassen kriegen, ein paar Akkorde der Melodie vernehmen, daran schnuppern und einen Hauch davon mitnehmen, wenn man die richtigen Stellen kennt, in die man seine Nase stecken muss.
Den Schwarzwald betritt man sicherheitshalber auf einer der Haupteinfallsrouten (Siehe vordere Umschlags-Innenseite). Man erreicht dann diesen südwestlichen Eckpfeiler Deutschlands wahlweise über Donaueschingen, Waldshut, Freiburg, Offenburg, Baden-Baden, Freudenstadt oder Villingen. Das Mittelgebirge mit der Hornisgrinde (1166m) im Norden und dem Feldberg (1493m) im Süden wird durchzogen von der Schwarzwaldhochstraße, die von Nord nach Süd mehr oder weniger der Wasserscheide folgt und bei Waldshut im Süden an die Schweiz andockt. Fast alle der hier aufgezählten größeren Orte nennen sich gerne „Tor zum Schwarzwald“ oder gar, wie Freiburg, die „Schwarzwaldhauptstadt“. Topographisch und geographisch sind dies äußerst umstrittene Ansprüche. Villingen liegt am äußersten östlichen Rand, mit seiner zweiten Stadthälfte Schwenningen gar schon eindeutig außerhalb des Schwarzwaldes, ebenso Donaueschingen, das der Landschaft der Baar zugeordnet ist und den Schwarzwald nur zu Werbezwecken in seiner Visitenkarte führt. Baden-Baden ist immerhin in die nördlichen Ausläufer des Mittelgebirges gebettet und betreibt somit den geringsten Etikettenschwindel, wenn es sich dem Schwarzwald zuordnet. Offenburg hingegen gehört nun zweifelsfrei zur Rheinebene und Freiburg, trotz des imposanten Hausberges Schauinsland (1284 Meter) zum Breisgau.
Historisch gesehen liegt das „Tor zum Schwarzwald“ sowieso irgendwo ganz anders, nämlich im Wiesental und im Wehratal, ganz im Süden. Von St. Gallen, Schaffhausen und Bad Säckingen herauf rodeten sich im 8. und 9. Jahrhundert die Benediktinermönche und erste bäuerliche Siedler die Hänge hinauf. Angelockt vom Holzreichtum und den wertvollen Erzen, Silber, Eisen, Blei, schufen sie klösterliche Zellen (Zell im Wiesental gibt davon heute noch mit seinem Namen Zeugnis) und bald auch einflussreiche Klöster wie St. Blasien, St. Georgen, Hirsau. Vor ihnen streunten ohne echte Siedlungsschwerpunkte die Kelten und ihre alemannischen Nachfolger durch die Wälder. Die archäologischen Spuren, die sie hinterlassen haben sind rar – am bekanntesten: der Magdalenengrabhügel bei Villingen - und das Wissen um ihre Anwesenheit gründet sich mehr auf Vermutungen und ein paar Namensfragmente als auf gesicherte Erkenntnis. Nach Herodot lag die Heimat der Kelten dort, „wo die Donau entspringt“, und das wäre der Schwarzwaldzipfel zwischen Furtwangen und Donaueschingen. Inwieweit die Römer in den ersten vier Jahrhunderten nach Christus in den inneren Schwarzwald vorgedrungen sind, ist auch unter Fachleuten noch umstritten. Römerstraßen sind von Offenburg durch das Kinzigtal über Rottweil bis nach Tuttlingen und von Hüfingen, wo ein Kastell stand, durch den Südschwarzwald bis Windisch in der Schweiz nachgewiesen. Im Rheintal bauten die Römer Militärbefestigungen (Riegel, Friesenheim), Thermen (Badenweiler, Baden-Baden) und großartige Villen (Heitersheim, Breisach). Die dauerhafteste Hinterlassenschaft der Römer in diesem Raum ist jedoch der Weinbau, der mancherorts bis weit in die Ausläufer des Schwarzwaldes hinein (Glottertal, Gengenbach) Fuß fassen konnte. Insgesamt war der Schwarzwald für die Römer „silva negra“, der schwarze Wald, was gleichbedeutend mit „schwarzer Fleck auf der Landkarte“ stand.
Das bäuerliche Leben und das Kleinhandwerk der Uhrmacher, Geigenbauer, Köhler, Glasbläser, Schindelmacher und Flößer, die alle zusammen wesentlich das romantische Bild vom Schwarzwald geprägt haben, sind neueren Datums, beginnend mit dem 15. Jahrhundert. Das Flößerhandwerk ist außer in nostalgischer Folklore (Kinzigtal) ebenso verschwunden wie die gewerbsmäßige Köhlerei (obwohl es heute wieder, z. B. im Münstertal, touristische Köhler gibt). Der Geigenbau und das Schneflerhandwerk (Holzlöffelschnitzer) sind ausgestorben. Die Glasbläserei, verewigt auch in Ortsnamen wie Altglashütten oder Glashütte, hat nach rapidem Niedergang im 18. und 19. Jahrhundert neuerdings wieder eine touristische Renaissance erfahren, die Uhrmachertradition konnte bewahrt und teilweise in industriemäßige Fabrikation bis in die Neuzeit gerettet werden. Aus der Uhrenindustrie haben sich im späten 19. und 20. Jahrhundert der Feinbau und die Messtechnik entwickelt, Sparten, in denen es Schwarzwälder Firmen (Eisenbach, Lenzkirch) heute zu Weltgeltung gebracht haben. Eine gute aber bis heute krisenbehaftete Tradition hat auch die Schwarzwälder Textilindustrie (Schwerpunkt Wiesental) und ein bodenständiger Erwerbszweig war und ist außerdem seit etwa 250 Jahren das Braugewerbe mit namhaften Brauereien wie Fürstenberg, Rothaus und Alpirsbacher.
Seit dem späten 19. Jahrhundert ist der Fremdenverkehr Erwerbszweig Nummer eins im Schwarzwald. Die weitgehend intakte Natur, die gute, mancherorts sogar als heilklimatisch prädikatisierte Luft und die wildromantischen Landschaften sind sein stärkster Magnet. Im Westen fällt der Schwarzwald von Höhen über 1000 Meter steil zur Oberrheinebene auf 200m ab, im Osten neigt er sich sanfter in Richtung Donau- und Neckartal. Man unterscheidet nach dem nördlichen Schwarzwald, der etwa von Pforzheim bis zum Kinzigtal reicht und nicht viel breiter als 20 Kilometer ist, dem mittleren Schwarzwald, das ist der Abschnitt zwischen Kinzigtal und Höllental, sowie dem etwa 60 Kilometer breiten Südschwarzwald, der bis an die Schweizer Grenze reicht. Den Norden prägen breite Buntsandsteinrücken, in der Mitte und im Süden hat die letzte Eiszeit den Buntsandstein bis auf das Urgestein Granit und Gneis abgetragen.
Der Schwarzwald hat neben der teilweise kühnen Verkehrserschließung (Höllentalbahn, Schwarzwaldbahn) auch Markenartikel wie die Schwarzwälder Kirschtorte, den Bollenhut, den Schwarzwälder Schinken oder die Kuckucksuhr hervorgebracht. Trotz dieser von der Tourismuswirtschaft äußerst verkitschten Attribute der heimischen Folklore sind Brauchtum und Traditionen auch heute noch fest verankerte Bestandteile des öffentlichen Lebens. Der bekannteste Ausdruck davon ist die alemannische Fasnet.
Der Schwarzwaldtourismus knüpft nicht nur an Traditionen. Für neuere Trends stehen der Europa Park in Rust, sportliche Groß-Events, das Thema Umweltschutz, Jazz- und Theaterfestivals und zunehmend auch die gastronomische Ausrichtung.
So erfuhr die früher eher rustikale Küche des Schwarzwaldes in den letzten Jahren eine merkliche Verfeinerung. Natürlich sind die urigen Bauernwirtschaften, die es noch überall gibt, und die Brägele, Speckvesper und selbstgebrannten Schnaps servieren, ein Muss für jeden Schwarzwaldurlauber. Aber daneben hat sich eine hochwertige, auch gesundheitsbewusste Feinschmeckerszene etabliert, mit ambitionierten und gleichzeitig traditionsbewussten jungen Küchenmeistern. Unter Rückbesinnung auf regionale Produkte verleihen sie der badischen Küche einen internationalen Glanz und verführen zu dem Fazit: „Schwarzwald schmeckt gut!“